Das Tote Meer – Paradies nicht nur für Spa-Liebhaber! Teil 1 Masada
7.-9.9.2022
Die meisten bringen das Tote Meer mit Badeurlaub in Verbindung. Massen von Toure-Bussen wälzen sich über die Route 90, die direkt an den Hängen des Wüstengebirges vorbeiführt, links immer das Meer selbst im Blick. Wobei… „wälzen“ ist nicht der richtige Ausdruck, denn die Busfahrer fahren wesentlich schneller und geschickter als wir es aus Deutschland gewohnt sind. Einer nach dem anderen überholt mich, die ich als Touristin manchmal etwas langsamer fahre. Zum einen, weil ich die Strecke nicht gewohnt bin und nur alle paar Jahre mal fahre, zum anderen, weil mich der Ausblick jedes Mal wieder in Staunen versetzt. Schon. Als ich aus Jerusalem herausfuhr, es in Richtung Süden immer weiter abfiel, sah ich es am Horizont: Wie das judäische Bergland (sehr steinig und dazwischen immer wieder grün) übergeht in das bergige Wüstenland (sanftere Silhouetten in einer rötlichen Sandfarbe). Als wenn es irgendwo eine unsichtbare Grenze geben würde, liegen diese beiden Landschaften direkt nebeneinander. Die Schnellstraße führt mich fast bis an die jordanische Grenze direkt oberhalb des Toten Meeres, leitet mich dann aber scharf rechts. Und so schlängel ich mich also auf der rechten Seite Richtung Süden am Meer entlang und bin einfach nur begeistert: Nirgendwo sonst wird man einen vergleichbaren Ort finden, sowohl von der Natur her als auch seiner Geschichte – und Zukunft. Auf beiden Seiten (auf dieser und der transjordanischen Seite) finden wir israelitische/judäische Geschichte. Etwa liegt sehr nah am Toten Meer im Gebiet des heutigen Jordanien der Berg Nebo, auf dem Mose stand und in das verheißene Land blicken durfte (Den 32,48ff.; 34,1ff.). Auch liegt dort das Gebiet, das dem Stamm Ruben zugeteilt wurde (Num 32,1ff.), und die ehemalige Schwesterfestung von Masada (Machaerus). Aber meine Ziele für meinen kurzen Stopp am Toten Meer liegen natürlich auf der israelischen Seite: Masada, Ein Gedi und Qumran.
Übernachten tue ich in einem netten Kibbuz in Qalia und habe dort, wie es in Kibbuzim ja oft üblich ist, einen Mini-Bungalow für mich mit kleiner Küchenzeile, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und sogar einer Terrasse. Das Kibbuz liegt direkt bei der Ausgrabungsstätte Qumran und man hat einen wunderbaren Blick auf das Tote Meer und die Hügel Jordaniens.
Da ich eigentlich nur einen richtigen Tag am Toten Meer habe, da ich am 7. erst spät aus Jerusalem ankomme und am 9. frühst wieder fahren will, habe ich mir den Donnerstag richtig vollgepackt und möchte alle drei Ziele schaffen. Eigentlich hatte ich noch Timnah eingeplant und Arad. Timnah ist ein ganz besonderes Naturpark in Israel, in dem besondere Gesteinsformationen zu bestaunen sind. Allerdings ist er ganz im Süden und meine Zeit und Kräfte sind leider doch etwas begrenzt. Falls Du einfach mal reinschauen möchtest, kannst Du das HIER auf der Homepage tun. Auf dem Weg könnte man auch Sodom anschauen, ebenfalls ein besonderer Ort der Bibel, zu dem Du HIER ein paar Infos finden kannst. Also: Nächstes Jahr in Jerusalem… und auch am Toten Meer :-)
Am 8.9. bin ich recht zeitig in Masada, hier möchte ich meine Tour beginnen. Ich freue mich riesig auf diesen Besuch, obwohl es mein sechster sein wird. Aber die besondere Festung fasziniert mich schon seit Jahren. Eingebettet ist dieser einzelne, etwas hervorstehende Berg in die Gebirgskette der ha´Etekim. Mit seinen 450 Metern ist er schwer zu erklimmen und noch schwerer einzunehmen – deswegen wurde der Berg auch als Festung der Makkabäer, die jüdischen Freiheitskämpfer in der Zeit der Unterdrückung durch die Seleukiden, und später von Herodes dem Großen verwandt. Doch seine wahre Bedeutung gewann er im großen jüdischen Krieg ab 66 n.Chr.. Als das ganze Land nach und nach fiel und Jerusalem zerstört wurde, hielt sich diese Festung noch ungefähr drei weitere Jahre. Um die 1000 Menschen verschanzten sich hier und hielten bis zuletzt stand.
Als die Römer am Ende nicht mehr aufzuhalten waren, nahmen sich die Rebellen selbst das Leben, um nicht als Sklaven der Feinde zu enden. Danach wurde die Festung noch von den Römern verwendet, später siedelten hier Byzantinische Mönche und dann Muslime. Und dann blieb es lange still um die Festung – bis sie im 19. Jahrhundert wiedergefunden wurde. Seitdem ist sie aus der Geschichte und Gegenwart des jüdischen Volkes nicht mehr wegzudenken. Falls Dich die Geschichte, Archäologie und die Bedeutung Masadas interessiert, lies gerne meine beiden Artikel dazu, die Du HIER findest. Im Folgenden gebe ich Dir nur einen kleinen Einblick mit ein paar Infos und vor allem Bildern. Viele Details findest Du im zweiteiligen Beitrag.
Als ich ankomme, ist der Parkplatz noch fast leer – so früh sind selbst die Touri-Gruppen noch nicht alle unterwegs! Ich treffe einige jüdische Familien und andere Einzelgänger wie mich. Als ich in die Seilbahn einsteige, die nun knapp 400 Meter steil in die Höhe segeln wird, fühle ich mich erstaunlich mutig trotz meiner Höhenangst und denke: Bei der Verwegenheit und dem Mut, die das Schicksal dieses Bergs geprägt haben, sollte ich auch das schaffen… Und klammere mich mutig an die Stange inmitten der für fast 60 Menschen ausgerichteten Seilbahn. In der kleinen Ausstellung unten habe ich gelesen, dass Ya´akov Yannai (1911-1996, Gründer der National Parks Authority/NPA in Israel) extra diese Seilbahn installieren ließ, da er wollte, dass diese Stätte, die für die Identität des jüdischen Volkes so bedeutend ist, für alle zu begehen ist – für jung und alt, krank und gesund. Theoretisch kann der besonders verwegene Besucher aber auch die Festung selbst erklimmen: Der sogenannte Schlangenpfad führt in engen, steil ansteigenden Serpentinen direkt am Berg entlang hinauf zur antiken Festung. Einen zweiten Weg gibt es auch noch, doch dafür muss man von hinten an den Berg heranfahren auf den Nachbarberg der ha´Etekim, denn von dort kann man an der Rampe hinaufgehen, die die Römer um 72/73 n.Chr. bauten und von dort die Festung einnahmen.
Als ich mit der Seilbahn oben ankomme, gehe ich mit den anderen Gästen den Weg auf Holzplanken entlang zum Schlangentor, dem Haupteingang Masadas. Links von mir fällt das Bergmassiv in schwindelerregender Höhe ab und ich kann das Besucherzentrum sehen, von dem aus ich gerade hochgefahren wurde… und einige der römischen Lager. Alles wurde ausgegraben, alles kann man heute noch sehen und anfassen. Hier wird Geschichte wirklich lebendig! Aber dazu gleich noch mehr. Im Grunde kann man sich seinen eigenen Weg über das große Gelände auf dem Plateau suchen, aber beginnen sollte man bei dem Modell der Festung, das ganz nah am Eingang gelegen ist. Dort hat man einen Überblick, wo was gefunden wurde und was angeschaut werden und betreten werden kann.
Am ehesten wird man der Masse folgen Richtung Nordpalast, denn hier gibt es die meisten Gebäudekomplexe. Dabei kommt man zuerst vorbei an der Residenz des Kommandanten der Festung, die relativ groß war und mit wertvollen Fresken verziert war ebenso wie seine Kanzlei, die kurz danach kommt.
Man bahnt sich seinen Weg vorbei an den Lagerräumen, wo massive Versorgungspolster eingelagert waren, als die Rebellen die Festung 70 n.Chr. von der römischen Besatzung, die nach Herodes´ Tod die Leistung übernommen hatte, eroberten.
Dann führt der Weg einen weiter direkt zum ehemaligen Nordpalast, dem Herodes der Große in seinem Verlangen nach Macht und Größe gleich mal dreistöckig am steilen Nordhang des Bergmassivs errichten ließ. Man kann sogar bis zur unteren Terrasse hinabgehen, allerdings habe ich mich das aus bekannten Gründen bisher noch nicht getraut. Danach gelangt man zu den Thermen, die für die Bewohner Masadas gebaut wurden.
Und dann zu einem Ort, der unter Herodes keine besondere Rolle spielte, aber für das Schicksal des Berges entscheidend werden sollte: Der Schriftsteller Josephus, der selbst als Jude zuerst im Jüdischen Krieg gegen Rom kämpfte und dann die Seiten wechselte und u.a. seine pro-römische Fassung des Krieges schrieb, beschreibt uns, wie die Rebellen auf Masada entschieden, sich das Leben zu nehmen, bevor sie als Männer von den Feinden gefangen genommen und einem Schicksal als Gladiatoren oder Sklaven ausgeliefert wären und ihre Frauen geschändet würden. So losten die Männer aus, wer diese Tat übernehmen müsste und wer, als letztes übrig bleibend, sich selbst das Leben nehmen müsste. Tatsächlich wurden in einem Raum Tonscherben mit Namen gefunden – Namen, die auch Josephus erwähnt, was allgemein als Bestätigung der historischen Zuverlässigkeit des Berichtes anerkannt wird. Josephus sagt uns, dass einige Frauen sich und ihre Kinder versteckten und den Römern, als sie dann die Festung stürmten und die Leichen fanden, alles erzählten – so kam es seinem Bericht.
Ein weiterer, ganz besonderer Ort ist der Aussichtspunkt im Nordwesten, von dem aus man die Wasserversorgung nachverfolgen kann. Auf Masada gab es zwei riesige Zisternen, allerdings reichte das unter der Belagerung durch die Römer nicht mehr aus. So nahm man auch die Zisternen, die einst in den Nordhang hineingehauen worden waren, wieder in Benutzung. Die Nordwand ist so steil und felsig, dass sogar während der Belagerung die Rebellen ungehindert hinuntergehen, Wasser holen und den Römern zuwinken konnten, ohne Schaden zu nehmen.
Auf dem hinteren Teil den restlichen 2/3 des Plateaus findet man vor allem weite Flächen: Hier haben die Bewohner Getreide angebaut, um eine gewisse Selbstversorgung gewährleisten zu können – auch etwas, was die Rebellen weitergeführt haben und was ihnen einen langen Widerstand ermöglicht hat. Doch gibt es noch das ein oder andere Gebäude, das für den Besucher interessant ist. So zum Beispiel die Synagoge oder auch die Talmudhalle. Diese beiden Einrichtungen zusammen mit den Mikwen, die gefunden wurden, belegen, dass die Bewohner durchaus gläubig waren – und sprechen entschieden gegen die einstige Behauptung von Bibelkritikern, dass es Synagogen erst viel später nach der Zerstörung des Tempels gegeben habe.
Auf dem Gelände gibt es sonst noch byzantinische Einrichtungen einstiger Mönche sowie ein Tor, das sie erbauten, sowie Zisternen und natürlich die gesamte Ummauerungsstruktur, die Jahrtausende überdauerte und Kriegen und natürlicher Erosion trotzte.
Als ich mich knapp zwei Stunden später wieder an das Geländer klammere und zur Seilbahn zurückkraksel, bin ich aufs Neue ganz begeistert von den Funden und den Ausgrabungen, die immer noch andauern – tja, alles wird ans Licht kommen, auch diese besonderen Funde und die Geschichte, die sie bezeugen. Als ich auf dem Holzplateau stehe, an dem die Seilbahnen beladen werden, will mich ein Mitarbeiter in eine in meinen Augen viel zu überladene Gondel stecken – ich sehen dankend ab (wenn man eh etwas ängstlich ist, macht das Gefühl von zu viel Gewicht für das Gerät die Sache nicht gerade besser ;-)), trete einen Schritt zurück und geselle mich zu einer über das Szenario lachenden Gruppe. Ich komme mit einigen aus der Gruppe ins Gespräch und treffe so jüdische Besucher aus Chicago, die mit einem Rabbi unterwegs sind. Noch angefüllt vom Masada-Feeling steige ich mutig mit ihnen in die nächste Gondel und vermische, mir die gemischten Gefühle nicht anmerken zu lassen, als die das Gefährt einen Ruck macht und erstaunlich schnell der Schwerkraft folgend nach unten fährt. Stattdessen hole ich mir einige Tipps für meinen New York-Besuch im Herbst ab. Und dann sind wir auch schon unten und ich fahre weiter zu meiner nächsten Etappe.
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