Das Tote Meer – Paradies für nicht nur für Spa-Liebhaber! Teil 3 Qumran
Als ich innerlich bewegt und total nassgeschwitzt (wer geht auch schon um 12 Uhr mittags in En Gedi klettern?) nach meiner Wanderung wieder am Auto ankomme, fahre ich weiter zu meinem letzten Ziel für heute: Qumran. Mittlerweile ist Khirbet Qumran weltberühmt und vermutlich brauche ich Dir nicht viel über die Geschichte, wie er so wichtig für die Bibelwissenschaft wurde, zu erzählen. Deshalb nur ein kleiner Überblick: Wir schreiben das Jahr 1947, als ein kleiner arabischer Hirtenjunge mal wieder durch die Höhlen klettert, die sein Arbeits- und Spielplatz zugleich sind, und zufälligerweise auf findet er mehrere alte, zum Teil verschlossene Krüge. Darin findet er nur alte Schriftrollen in einer Sprache, die er nicht versteht. Langweilig. Trotzdem zeigt er sie seiner Familie und weil die ebenfalls nichts damit anfangen kann, werden Einlagen für Schuhe draus gemacht oder sie werden auf dem (illegalen) Antikmarkt verscherbelt. So wird auch ein Forscher darauf aufmerksam. In der Folge wird versucht, die Rollen ausfindig zu machen aufzukaufen, denn schon jetzt wird erkannt, dass sie sehr alt sein müssen. Beduinen suchten natürlich weiter in den Höhlen, da solche Funde nun wirklich gut fürs Geschäft waren. In den Jahren zwischen 1951-1958 gingen aber endlich auch wissenschaftliche Teams an den Ort des Geschehens und fanden insgesamt 11 Höhlen mit weiteren Rollen und Fragmenten. Mitte der 1980er bis hinein in die ´90er fand eine erneute Suche statt und es wurden 17 weitere Höhlengefunden, die aber eher Gegenstände beherbergte. Doch auch diese wurden wichtig für die Forschung.
Es wurden Schriften in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch gefunden, was perfekt in die Epoche passt, in die die Fragmente und Rollen auch datiert werden konnten: Die Radiokarbonuntersuchung ergab, dass die Schriften zwischen 200 v.Chr. und 68 n.Chr. angefertigt wurden, bei einigen wird eine noch ältere Datierung vermutet. Das wirklich Besondere an der ganzen Sache ist, dass Schriften aus dem gesamten Tanach (unser Altes Testament) gefunden wurden – die einzige Ausnahme ist das Buch Esther. Die gefundenen Schriften stimmen erstaunlich genau mit unserer Überlieferung überein, die auf verschiedenen Codices (v.a. dem Codex Aleppo) beruht und im Mittelalter angefertigt wurde. Uns ist etwa eine vollständige Rolle des Buches Jesaja überliefert. Und das zeigt uns, wie zuverlässig jüdische Schreiber die biblischen Schriften überlieferten. Ein vorher nie dagewesenes Argument für die Zuverlässigkeit der jüdischen Tradierend der Schriften. Einige andere Texte richten sich aber auch erstaunlich genau nach der Septuaginta, also der griechischen Übersetzung des Tanach, oder der samaritanischen Fassung. Dies bezeugt, wie gebräuchlich mittlerweile die Verwendung von Übersetzungen im Judentum war.
Mittlerweile hat man das antike Dorf ausgegraben, in dem damals die Gemeinschaft der Essener gelebt hat. Die Funde zeigen, dass hier zwischen 150 und 200 Menschen lebten – die Sekte der Essener, die uns auch durch Geschichtsschreiber wie Flavius Josephus bekannt sind. Bei den Essenern handelte es sich um eine reine Männergemeinschaft: Sie sahen das Kommen des Messias bevorstehend und wollten sich für die zukünftigen Geschehnisse reinhalten. Zu viele Juden, so war ihre Meinung, waren auf den falschen Weg gekommen und brachen den Bund – so verließen sie Jerusalem und bauten sich in Qumran einen Ort auf, wo sie in der Wüste warteten. Davon zeugen die außer üblichen Schriften, die uns von ihnen überliefert sind. Sich selbst bezeichneten sie als Söhne des Lichts, während alle anderen Söhne der Finsternis waren – genau dieses Weltbild wird auch im Israel-Museum in Jerusalem dargestellt. Erinnerst Du Dich an meinen Bericht über meinen Besuch dort? Die weiße Kuppel des „Shrine of the Book“ steht für die Reinheit, die die Essener in ihrer Gemeinschaft sahen. Demgegenüber wurde ein schwarzer Basaltblock gestellt, der für die Söhne der Finsternis steht. Im „Shrine of the Book“ liegen einige der originalen Schriften und Fragmente aus, manche davon in sehr schlechtem, manche in besserem Zustand. Nur die Jesajarolle ist auch dort nicht im Original zu finden, dafür ist sie viel zu wertvoll.
Aber zurück zu meinem Besuch: Als ich in das Besucherzentrum des Qumran Nature Reserves eintrete, trifft mich fast der Schlag: Nachdem ich über 4 Stunden in der Hitze auf Masada und in En Gedi in der prallen Sonne gelaufen bin, finde ich mich jetzt in geradezu arktischen Temperaturen wieder. Überall in Israel sind in dieser Jahreszeit Klimaanlagen aktiv und normalerweise ist man als Deutscher auch sehr dankbar dafür, aber manche übertreiben es dann doch etwas mit der erfrischenden Kühle. Während meine Arme, die ganz typisch deutsch nach über einer Woche in der israelischen Sommersonne immer eher noch käsig sind, langsam bläulich werden (ich übertreibe etwas ;-)), sitze ich vor einem großen Fernseher, auf dem nun ein kleiner Einführungsfilm für Besucher läuft. Während ich dem Sprecher, der eine fiktive Gestalt aus der essenischen Gemeinschaft ist, zuhöre, denke ich darüber nach, wie anders es doch aussieht im Gegensatz damals, als ich das bisher einzige Mal hier war: 2013 war ich mit meinem Vater einmal früh morgens hier, aber damals war die Ausgrabung noch nicht richtig geöffnet, man lief nur über einem fest vorgeschriebenen Pfad, immer oberhalb der Ausgrabungen, damit man nichts kaputt machen würde. Es gab noch kein Museum und kein Besucherzentrum in dieser Form.
Der Einführungsfilm ist für „Neulinge“ im Thema genau richtig, denn das Wissen, das wir durch die gefundenen Schriften und Fragmente über die Sekte haben, wird anschaulich verpackt. Was mich als Wissenschaftlerin jedoch stört, ist, dass von Johannes dem Täufer als zeitweise zur Gruppe gehörig berichtet wird- Als der große Qumran-Hype vor einigen Jahren durch die Bibelszene ging, behaupteten plötzlich sehr viele, dass Johannes (und vielleicht sogar Jesus selbst) zu den Essenern gehört habe, weil es gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Lehren gäbe. Tatsächlich lesen wir in den Evangelien von einer Wüstenzeit des Johannes (und auch Jesu) – aber unseren historisch sehr genauen Evangelisten würde ich zutrauen, dass sie eine solch wichtige Lehrzeit erwähnt hätten. Die israelische Wüste ist sehr groß und nicht nur Qumran und es gibt dann doch viel zu wenig Berührungspunkte mit den Essenern, meiner Meinung nach. Aber das wäre einen speziellen Beitrag wert…
Jedenfalls stört mich der vorschnelle Einbezug von Johannes in die essenische Geschichte, auch wenn er vermutlich nur die Beziehung von christlichen Besuchern zu Qumran vertiefen soll. Aber er stört mich dann doch nicht so doll, denn als ich kurz danach die Ausstellung betrete, ist all das vergessen: In dem kleinen Museum sind teilweise echte Funde, teilweise Nachbildungen ausgestellt, immer wieder ergänzt mit gemalten Szenerien, sodass man sich das gemeinschaftliche Leben der Gemeinschaft vorstellen kann. Und dann wird man auch schon wieder nach draußen geleitet und steht vor der wunderbaren Landschaft der ha´Etekim. Jawohl, auch hier ziehen sich die Kalksteinberge entlang und genau hier sind die Funde gemacht worden. Links von mir direkt hinter dem Museum und Besucherzentrum liegt das antike Qumran und heute kann man, wie in Masada, sogar durch die Gebäudestrukturen gehen und alles anfassen. Es gibt übrigens noch historische Verbindung zwischen Masada und Qumran: Als die Römer während des Jüdischen Krieges immer wieder vorrücken und Ort um Ort einnehmen und teilweise dem Erdboden gleich machen, fällt auch Qumran um 68 n.Chr. Die Überlebenden flüchten größtenteils nach Masada und bleiben dort bis zu dessen Fall.
Da es super heiß ist, entscheide ich mich, zuerst Richtung Höhlen zu gehen. Ich bin allerdings froh, als der Weg zu der, die am weitesten entfernt ist, durch eine Herde Steinböcke versperrt ist. Das nehme ich dankbar als Entschuldigung, nur zu den näher gelegenen zu gehen. Ich bin fasziniert und begeistert von der Schöpfung Gottes – hier hat er wirklich ein Meisterwerk getan: Links von mir fällt ein Wadi steil ab, man muss gut aufpassen, dass man nicht abrutscht – und vor mir erheben sich die majestätischen Berge in rot-sandfarbenem Gestein. Überall kann man Höhlen ausmachen, manche einfach natürlich entstanden, manche anscheinend von Menschenhand bearbeitet. Hier wurden also Rollen und Gegenstände hinterlassen, und hier haben sich sogar, so heißt es, Menschen versteckt, als die Römer kamen.
An den Überresten Qumran angekommen staune ich über die Funde, die es, wie gesagt, bei meinem ersten Besuch so noch nicht zu sehen gab: Ich laufe durch ein richtiges Dorf mit Lagerräumen, Wohnräumen, Mikwen, Zisternen, Räumen für Schreiber, einer Töpferei und vielem mehr. Ganz hinten gibt es einen Aussichtspunkt von dem aus man auf DIE Höhle schauen kann. Warum schreibe ich DIE Höhle? Es ist die Höhle, die der kleine Junge entdeckte, mit mehreren Eingängen und Öffnungen. Hier wurden mehrere Hundert Schriftrollen und Fragmente gefunden. Forscher meinen, dass anscheinend nach der Zerstörung Qumrans mindestens ein römischer Soldat dort hineinging (vermutlich weil die Soldaten den Flüchtlingen folgten oder dort Menschen fanden) und zerriss einige Schriftrollen in seinem angestauten Hass und seiner Zerstörungswut (was Krieg aus Menschen macht, unterscheidet sich in nichts von der damaligen Zeit zu der unseren, wie wir jetzt im Osten Europas sehen müssen). So wurden zwar ein igle sehr gut erhaltene Rollen geborgen, aber von sehr, sehr vielen sind nur Schnipsel übrig geblieben, so genannte Fragmente, die teilweise zusammengesetzt werden konnten, teilweise nicht. Trotzdem konnte der Hass Roms der Offenbarung der Geschichte nicht im Wege stehen, wie wir heute sehen.
Als Theologin, aber einfach nur als Bibelleserin begeistert mich Qumran immer wieder. Die Geschichte wird hier, genauso wie auf Masada, auf eine besondere Art und Weise lebendig. Wer weiß, was in der nächsten Zeit noch gefunden wird!
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