Regen, Schnee und Sonne – meine Odyssee im Golan

Der Ausblick über die lange Auffahrt der Nature Reserves Gammle ist einmalig.

Wer hätte gedacht, dass man gar nicht weit fahren muss, um Abenteuer zu erleben? Manchmal warten sie direkt vor der Haustür… Oder zumindest vor der Tür, die für einige Wochen meine Haustür ist :-) Als ich vor einigen Tagen aufbrechen wollte, um endlich ein unter Israelis sehr beliebtes Nature Reserve in der Nähe zu besuchen, fing es natürlich wieder an zu regnen. Mittlerweile haben wir hier in Galiläa wieder sehr schönes Wetter, aber zu jener Zeit hielt sich das Tief noch hartnäckig über uns, und riss mal der Himmel auf und traute man sich raus, lief/fuhr man direkt in eine nette Dusche hinein. Das passierte mir in diesem Moment auch mal wieder und als ich endlich im Yehudia Nature Reserve ankam, war ich weit und breit die Einzige, die hier in den Anfängen des Golan-Gebirges wandern wollte. Genauso hartnäckig wie das Regentief war die Mitarbeiterin, die mich mütterlich beäugte mit meinen bunten Turnschuhen, meiner pinken Jogginghose und meiner eindeutig nicht regendichten Jeansjacke (ja, selbst nach 10 Jahren Israelreisen lernt man immer noch dazu, auch was die Ausrüstung betrifft…) und mir eindringlich dazu riet, an einem anderen Tag wiederkommen. Viele Trails seien geschlossen wegen des Wetters, alle seien sehr matschig und das Gestein rutschig. Enttäuscht fragte ich mehrmals nach – seit Monaten wollte ich diesen Ort besuchen und nun sollte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen? Als die nette Mitarbeiterin meine Enttäuschung bemerkte, meinte sie, ich solle es im Gamla Reserve versuchen. Manchmal sei das Wetter weiter oben im Golan ganz anders. Also stieg ich mit einem weinenden und einem lachenden (ich liebe Gamla!) Auge wieder in mein Auto und fuhr zurück zur Straße… und damit einer kleinen Odyssee durch den Golan entgegen!

Sogar Safed ist weit hinten in den Schneewolken zu sehen.

Dies ist das erste Mal, dass ich den Hermon schneebedeckt sehe.

Ich muss Dir gestehen: Der Golan schüchtert mich immer etwas ein. Er ist wunderschön mit seinen beeindruckenden Hügeln und der rauen Natur, aber gleichzeitig auch furchterregend mit den plötzlich steil ansteigenden Straßen, die mein kleiner Leihwagen gefühlt am liebsten wieder rückwärts runterrollen möchte. Und seine Geschichte zum großen Teil tragisch, geprägt von unzählbaren Einzelschicksalen, Opferbereitschaft, Verlusten und politischer Unsicherheit. Links und rechts sind neben mir vielerorts Zäune mit Warnschildern – das Gelände ist nach den kriegerischen Auseinandersetzungen mit Syrien immer noch vermint. Und so fahre ich mit den finsteren, regenschweren Wolken über mir über die Landstraße Richtung Gamla, als plötzlich der Himmel seine Pforten öffnet und sich ein Hagelsturm über mir und den anderen Autofahrern, die sich weniger beeindruckt zeigen als ich, ergießt. Nach einigen Minuten wird die Sicht endlich wieder besser und ich sehe einen riesigen Panzer auf dem Lastwagen vor mir. In Deutschland bekomme ich persönlich das Militär kaum zu Gesicht, aber hier ist es allgegenwärtig, besonders im Golan. Hier sind zahlreiche Bataillone stationiert und es gibt viele Übungsplätze für die Soldaten. Und so tuckere ich fasziniert hinter dem Lastwagen her, bis er auf ein Feld abbiegt, wo schon andere Lastwagen und einige Panzer stehen. In Deutschland ist das Militär ein umstrittenes Thema und am liebsten wird gar nicht darüber gesprochen – hier gehört es zur Geschichte. Gäbe es nicht das IDF, gäbe es auch kein Israel, dieses Wissen teilen alle, egal, welcher politischen Richtung sie angehören und auch, wenn es emotional wird. Das hab ich in den letzten Jahren in vielen Gesprächen und Situationen mitbekommen.

Der Ayit-Wasserfall ist versteckt, aber ein wunderbares und beliebte Ausflugsziel.

Wenige Minuten später erreiche ich mein Ziel – und trete auf die Bremse. Vor mir liegt das Gamla Nature Reserve mit seiner langen Straße hinter dem Einfahrtstor (man muss ein ganzes Stück fahren, bis man am Besucherzentrum ankommt), aber was mich fesselt, ist der Anblick, der sich mir bietet: Ich kann viele Kilometer weit schauen. Bis nachher Safed weit hinter dem Jordangraben im Norden, bis hinunter zum See Genezareth… und bis zum Hermon weit im Norden, der von Schnee bedeckt ist! Es ist das erste Mal, dass ich Schnee in Israel sehe. Im Westen reißen die Wolken auf und die Mischung aus Regenwolken und Sonne, Bergen und See ist einfach spektakulär.

Klein, aber oho ist der Ayit.

Als ich endlich am Besucherzentrum ankomme, werde ich erstmal herzlich begrüßt: Die Mitarbeiter erinnern sich noch an mich! Wir hatten uns im letzten September lange unterhalten. Nach einem kurzen Gespräch raten sie mir jedoch auch davon ab, den Hike zu gehen. Da ich zur antiken Stadt schon gegangen war, wollte ich eigentlich zum Gamla-Wasserfall gehen. Aber der Weg dahin sei momentan wegen der massiven Regenfälle von kleinen Strömen durchzogen. Wenn, dann ginge das nur mit guten Regenstiefeln, so einer der Mitarbeiter. Und so schicken sie die enttäuschte Kristina denselben Weg wieder zurück – denn nach wenigen Minuten sei auf der linken Seite der Ayit-Wasserfall, klein aber fein, für Besucher frei zugänglich und einigermaßen trocken. Also steige ich wieder ins Auto, fahre wieder dem weißen Hermon entgegen und frage mich, wie oft ich heute noch hin- und herfahren werde. Langsam wird das Auto mein bester Freund!

Und der Ausblick über den Wadi ist genial.

Nach wenigen Minuten komme ich am Parkplatz des Ayit an. Und tatsächlich, der Besuch lohnt sich! Endlich bekomme ich eine Kurzwanderung in zaghaftem Sonnenschein mit fantastischer Aussicht und einem wunderbaren Wasserfall. Wer hätte gedacht, dass sich hier eine solche Perle befindet? Als ich meine kurze Wanderung beende, sind meine Schuhe etwas durchnässt, aber nach Hause will ich trotzdem nicht – es ist erst Mittag. Also entschließe ich mich kurzerhand, noch nach Tiberias zu fahren und endlich die Ausgrabungsstätte des antiken Vorortes der bedeutenden Stadt anzuschauen. Los geht’s also, wieder den Golan herunter, rund um, den See und hinein in die antike Geschichte.

Aber am beeindruckendsten ist fast der Ausblick über den See Genezareth am Ende meiner Odyssee, wo die Naturgewalten miteinander zu spielen scheinen.

Ich werde Dir zu einem anderen Zeitpunkt von Hammat-Tveria und seiner Geschichte erzählen und in diesem Moment nur die Schönheit mit Dir teilen, die sich vor mir hier unten am See Genezareth geboten hat. Denn zwar war ich jetzt wieder weit unten unterm Meeresspiegel, hatte dafür aber nicht nur den gesamten See ihm Blick, sondern auch Safed und die Golanhöhen. Hier und da zog eine Schnee- oder Regenwolke entlang, dort brach die Sonne durch die Wolken. Meine Odyssee durch den Golan war für heute beendet, aber der Abschluss war nicht weniger faszinierend und beeindruckend. Die Schönheit, die Gott in dieses Land und seine Natur gelegt hat, bewegt mich jedes Mal aufs Neue. Dankbarkeit durchflutet mich, als ich schnell meine Kamera zücke und so viele Bilder wie möglich knipse. Und Freude kommt auf auf das, was mich noch erwartet!

Während Safed in den Wolken verschwindet, liegt Tiberias in der Sonne.

Und über dem Golan entladen sich die Regenwolken.

Und im See Genezareth spiegeln sich Sonne und Wolken wider.

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