Von der Bedeutung des Christ-Seins – Teil 1
„Ich bin Christ!“ Hast Du diesen Satz schon mal über Dich selbst gesagt? Geht man heutzutage noch regelmäßig in den Gottesdienst und ist einem sein Glaube noch irgendwie bedeutsam, kommt man doch immer wieder in spannende Situationen, nicht wahr? Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich mich schon mit diesem Satz vorgestellt habe: In der Schule, unter Bekannten und Freunden, ja, sogar der Familie, in der Freizeit im Stall, auf Studentenfeiern und ja, sogar im Theologiestudium vor Mitstudenten. Mal waren es ermutigende Situationen, die sich daraus ergeben haben, mal aufregende, weil dieser Satz zu interessanten Diskussionen führte, aber oft auch unangenehme, wenn man komisch, gar verachtend angeschaut wurde.
Was für Situationen hast Du schon erlebt, in denen Du Dich als Christ vorgestellt hast? Denn genau das ist es doch – ein Vorstellen. Dass ich mich als Christ bezeichne, sagt etwas über mich aus: Darüber, was mir wichtig ist, wie ich die Welt und mich und auch meine Mitmenschen sehe. Dabei habe ich in den letzten Jahren aber sehr häufig bemerkt, dass das Verständnis dieser Bezeichnung Christ und damit auch das Selbstverständnis derer, die sich so bezeichnen, sehr bunt ist: Für manche bedeutet dieses Wort, dass man einer Religionsgemeinschaft zugehörig ist, wobei dann natürlich auch die Konfession oft eine besondere Rolle spielt; andere verbinden damit eine bestimmte, zumeist friedliche und philanthropische Kultur, die einen bestimmten Traditions- und Wertefundus hat; für andere sagt dieser Begriff etwas über einen ganz bestimmten Glauben und damit auch über eine besondere Zugehörigkeit zu Gott aus. Wie ist es bei Dir? Was verstehst Du darunter, wenn Du Dich selbst oder andere sich Dir gegenüber als Christ bezeichnen?
Wenn wir in das Neue Testament schauen, dann erkennen wir schnell, was die Bezeichnung Christ ganz ursprünglich meint: Wir lesen in den Evangelien, wie Jesus als der Christus bezeichnet wird, was die griechische Übersetzung von dem hebräischen Wort Messias ist und Gesalbter bedeutet. Wir lesen, wie sich zahlreiche Jünger um ihn scharen und miterleben, wie dieser besondere Mann am Kreuz stirbt… und nach drei Tagen aufersteht. Nach seiner Auferstehung begegnet Jesus seinen Freunden und Jüngern noch 40 Tage bis zu seiner Himmelfahrt und bald danach schickt er als göttlicher König, der nun zur Rechten Gottes, des Vaters sitzt, den Heiligen Geist. Von diesem Geist erfüllt und angeleitet beginnen die Jünger, die schnell an Zahl zunehmen, das Evangelium von diesem Jesus Christus zuerst in ganz Israel und dann von dort aus ausgehend in der ganzen Welt zu verkünden, wovon uns die Apostelgeschichte berichtet.
Und genau hier begegnet uns zum ersten Mal die Bezeichnung Christ: In Apg 11 lesen wir davon, wie einige der ersten Judenchristen (denn das waren die ersten Christen: Juden, die zum Glauben an Jesus gekommen sind – diese Tatsache erzählt uns von der tiefen Verbindung zwischen Juden und Christen) nach Antiochien im nördlichen Syrien kommen, dort das Evangelium verkünden und zahlreiche nichtjüdische Menschen zum Glauben kommen, sodass eine große und lebendige Gemeinde entsteht. Die (noch) nichtchristliche Bevölkerung bezeichnet die Gläubigen als Christianoi (Plural von Christianos; Apg 11,26). Es ist eine ganz interessante Beobachtung, dass es sich dabei um eine Fremdbezeichnung handelt – die Mitbürger haben an den Gläubigen etwas wahrgenommen und ihnen dementsprechend einen Namen gegeben. Und dieser Name ist extrem ausdrucksstark. Denn was beutet das griechische Wort übersetzt? „Zu Christus Gehörender“.
Was denkst Du, wenn Du das liest? In dieser Bezeichnung steckt eine Aussagekraft, die wir heute, so glaube ich, teilweise kaum noch wahrnehmen – weil unser Glaube so selbstverständlich und normal geworden ist. Durch die Ausbreitung der Kirchen in der Geschichte und ihre Entwicklung zu einer gesellschaftspolitischen Institution (zumindest an vielen Stellen) ist der Begriff Christ mehr zu einer kulturellen und konfessionellen Bezeichnung geworden, sodass die Explosivität des Bekenntnisses, das darin steckt, kaum noch zu spüren ist. Und so komme ich nicht umhin, mir selbst die Frage zu stellen, ob ich eigentlich noch weiß, was ich sage, wenn ich mich als Christ bezeichne? Denn damit sage ich: „Ich gehöre zu Christus!“ Das sagt etwas über meinen Glauben – einen Glauben, der aber nicht nur moralische und ethische Einstellungen beinhalten, sondern der mein ganzes Leben durchdringt. Es ist nichts anderes als ein Bekenntnis dazu, dass Jesus der Christus, der Gesalbte, der Retter ist, der Herr der Welt und meines Lebens. Und in einer Zeit wie der, der ersten Christen, war das auch ein Herrschaftsbekenntnis, wenn man Jesus als einzig wahren König anerkannt hat mit diesen Worten. Auch wenn in unserem westlichen Kulturkreis dieses Bekenntnis nicht mehr so brisant sein mag, hat es dennoch nichts von seiner Tiefe verloren – und diese neu zu entdecken, möchte ich Dich einladen!
Ich habe gerade schon geschrieben, dass die Bezeichnung Christ zu Beginn eine Fremdbezeichnung war. Anscheinend war das Christ-Sein dieser Menschen zu Jesus so öffentlich sichtbar, so bemerkenswert und anders, dass sie dem einen Namen geben wollten: Die Nichtchristen haben gesehen, dass die Gläubigen sich versammelt haben. Es war sichtbar, dass sie das Evangelium verkündet haben in Wort und Tat. Die Zugehörigkeit zu diesem Jesus, den sie Christus nennen, war also etwas, was jeder bemerkt hat. Wenn ich das lese, dann frage ich mich, ob Menschen auch bei mir sehen, dass ich Christin bin. Ist meine Zugehörigkeit zu dem Christus auch anders zu bemerken als an den Aufkleber auf meinem Auto, der Kette um meinen Hals und meinen Facebook-Freundschaften mit verschiedenen Gemeinden und christlichen Organisationen? Hätten die Menschen in Antiochien in einer Zeit, in der Christentum noch nicht die dominierende Kultur war, mich auch als Christiana/Christianos bezeichnet, weil es sichtbar ist, dass Jesus mein Herr ist?
Mit diesem Gedanken möchte ich Dich einladen, Deinen eigenen Glauben, Deine eigene Beziehung zu Jesus zu reflektieren – und Dich mit mir beim zweiten Teil wieder zu treffen!
Schalom, Gott mit Dir!
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