Karsamstag und die entscheidende Frage – Glaubst du?
Fassungslos. Unermesslich traurig. Leer. Angsterfüllt. Orientierungslos. Gab es Momente in Deinem Leben, in denen Du Dich so gefühlt hast? Vielleicht nicht alles auf einmal im selben Moment – aber weißt Du, wie es ist, vor einem Trümmerhaufen zu stehen? Vielleicht hast Du Krieg und Flucht erlebt oder ein anderes schreckliches Verbrechen. Vielleicht hast Du Deinen Beruf verloren und deswegen große finanzielle Sorgen. Vielleicht wurdest Du verlassen, verraten von Freunden, oder es ist jemand, der Dir nahestand, gestorben. Was auch immer es in Deinem Fall ist, wenn wir ehrlich sind, kennen wir das alle: Wir alle haben schon vor Trümmern gestanden, die mal unsere Welt ausmachten, und wissen, wie es ist, wenn nichts mehr so ist, wie es davor war.
Über den Tag nach Jesu Tod ist uns nicht allzu viel überliefert. Wenn man die ganze Geschichte dieser viel diskutierten Tage kennt, weiß man, dass Karsamstag nicht das Ende ist, und man könnte vermuten, dass die Schreiber der Evangelien deshalb nicht so viel über diesen Tag berichtet haben. Ich glaube, wir lesen kaum etwas darüber wegen der Sprachlosigkeit der Jünger. Denn wenn Du schon mal vor den Trümmern Deines Lebens gestanden hast, dann weißt Du, dass einem manchmal die Worte fehlen: Der Schmerz kann so groß sein, dass man denkt, man könne nie wieder sprechen und über das reden, was passiert ist. Manchmal tut es sogar so weh, dass man meint, das Herz müsse eigentlich aufhören zu schlagen. Aber man lebt weiter – der Körper funktioniert, aber die Seele steht still. Und so steht man vor der Frage: Was nun? Wie kann ich das zurücklassen, überwinden und weitermachen?
Wenn wir so etwas schon erlebt haben, dann können wir ansatzweise nachvollziehen, wie es den Jüngern an Karsamstag geht. Am Vortag ist es passiert, das Unfassbare. Sie wussten schon längst, dass Jesus sich Feinde gemacht hatte mit seiner direkten Art, mit der er die religiöse Oberschicht immer wieder zurechtgewiesen, ihre lang tradierten Vorschriften kritisiert und selbst im Namen des einen Gottes gehandelt hatte. Er war bedroht und öffentlich zur Rede gestellt worden, manche hatten versucht, ihm Fallen zu stellen, damit er sich selbst als Gotteslästerer verriet und so verurteilt würde. Er selbst hatte drei Mal von seinem Tod gesprochen… Aber es war jedes Mal so rätselhaft, denn er bezog sich auf uralte Prophetien, die sie nicht verstanden, und so hatten sie es nicht allzu ernst genommen – bis vorgestern. Sie hatten zusammen das Passah-Mahl gefeiert, dieses wunderbare Fest: Sie hatten zusammengesessen, nur die engsten Freunde der ganzen Anhänger Jesu hatten um ihn herum gesessen, mit ihm gelacht und geredet, ihm an den Lippen gehangen, als er die Gebete sprach und sie lehrte – wie immer. Aber dann fing er wieder mit seinem Tod an, doch dieses Mal war es anders: Er hatte nach dem Essen ein Stück Brot gesegnet, es als seinen Leib bezeichnet, der für sie gebrochen werden würde, und es ihnen zu essen gegeben. Und dann hatte er auch noch einen Kelch mit Wein genommen, den er als sein Blut bezeichnete, das für sie vergossen werden würde – damit der Neue Bund geschlossen werden könnte. Verwirrt, und doch ehrfürchtig hatten sie Brot und Wein genommen. Der Neue Bund! Die alte Verheißung! Konnte es sein, dass Jesus wirklich dazu gekommen war? Konnte es sein… dass er sich nun gegen die Römer erheben, Israel reinigen und so das Gottesvolk wiederherstellen würde? Nach all dem Furchtbaren – dem Zerfall des Königreichs, den beiden Exilen, dem Fall unter dir Griechen und Römer…
Aber dann ging alles schief… Jesus hat von einem Verräter gesprochen und Judas ist fortgerannt. Dann sind die restlichen Männer in den Garten auf den Ölberg gegangen, wohin Jesus sich vorher schon oft zum Beten zurückgezogen hatte. Plötzlich kam eine Menge von Soldaten mit Judas an der Spitze, sie ergriffen Jesus und Petrus hat versucht, ihn zu befreien – aber Jesus wies ihn zurecht und ging freiwillig mit. Ganz durcheinander rannten alle anderen fort, nur Petrus folgte ihnen unauffällig. Als die Soldaten Jesus in den Vorhof der Festung gebracht haben, wurde Petrus gesehen – die Leute fragten ihn, ob er nicht mit dem Jesus, der dort in Ketten stand, befreundet sei. Drei Mal behauptete er, dass er es nicht sei, aus Angst, auch in Ketten in die Festung geschleift zu werden. Als wenn Jesus aus der Ferne alles gehört hatte, drehte er sich nach der dritten Verleugnung um und sein Blick traf den von Petrus. Erst da wurde Petrus klar, was geschehen war; dieser starke, impulsive und unabhängige Mann brach in Tränen aus und rannte fort.1Zum Beispiel in Lk 22,54-62 Sie alle haben Jesus nun verlassen – den Mann, den sie für den Sohn Gottes, den Messias gehalten hatten. Nur Johannes war mit der Mutter Jesu und zwei anderen Frauen dabei, als sie Jesus verurteilten. Sie liefen in dem Zug der Schaulustigen mit, die den drei Verurteilten nach Golgotha folgten, und als Jesus dort hing, standen sie zu seinen Füßen und weinten um ihn, ohnmächtig und fassungslos, dass der Mann, den sie so sehr liebten, mit dem sie so viel geteilt hatten, so sterben sollte. In all seinem Leid wusste Jesus, dass es für seine Mutter am schlimmsten war, und so vertraute er Maria seinem Freund Johannes an, der sich nun um sie kümmern sollte.2Joh 19,25-27
Dann kam die Finsternis. Johannes, Maria und die anderen klammerten sich aneinander, als sich die Sonne zuzog und der Sturm losbrach und die Erde zu beben anfing. Aber nichts konnte sie ablenken von dem Mann, bei dem sie sechs Stunden lang am Kreuz ausgeharrt und ihm in seinem Todeskampf beigestanden hatten – Jesus ist gestorben.
Der Schabbat hatte fast begonnen, was bedeutete, dass die Begräbnisse der Gekreuzigten vorher stattfinden mussten. Die römischen Soldaten brachen den anderen beiden Verurteilten die Beine und als auch sie verstorben waren, nahmen sie sie von den Kreuzen ab. Johannes hielt Maria im Arm, als die Schaulustigen Golgotha verließen. Plötzlich stand ein Mann hinter ihnen: Josef von Arimathäa.3Zum Beispiel Joh 19,38ff. Sie kannten ihn vom Sehen – er hatte immer wieder die Nähe Jesu gesucht, aber eher verhalten. Er war ein wohlhabender Jude, hochgeachtet in der Stadt und mit den religiösen Führern gut vertraut. Und doch hatte es ihn immer wieder zu Jesus hingezogen – auch jetzt, als kein berührendes Wort mehr aus dem Munde dieses außergewöhnlichen Lehrers kam. Mit Tränen in den Augen stand Josef nun bei ihnen und schaute auf Jesu Leichnam, der noch ans Kreuz genagelt war. Er bat die Soldaten, ihn mitnehmen zu dürfen – Jesus müsste vor Schabbatbeginn begraben werden und er hätte eine Gruft ganz in der Nähe. Seine Diener trugen den Leichnam, als sie gemeinsam zu dem noch ganz unbenutzten Grab bei einem Weingarten nur wenige hundert Meter weiter gingen. Dort wartete schon ein weiterer Mann auf sie. Auch ihn kannten Johannes und die Frauen aus der Ferne: Nikodemus hieß er, daran erinnerten sie sich noch. Er war ein strenger Pharisäer. Er war einmal nachts heimlich zu Jesus gekommen und hatte ihn mit theologischen Fragen gelöchert – aber nicht wie die anderen Pharisäer, die Jesus hereinlegen wollten, sondern ernsthaft und um Antworten ringend:4Joh 3,1-21 Er hatte Jesus an den Lippen gehangen und hatte auch später immer wieder mit anderen Pharisäern zugehört, sich ihm aber nicht mehr genähert. Nun stand er dort am Grab, umgeben von einigen Dienern, die Säcke mit Aloe und Myrrhe hielten, die traditionell zur Einbalsamierung von Toten verwendet wurden, um den Verstorbenen Ehre zu erweisen. Als sie Jesus in das Grab gelegt hatten, stimmte Nikodemus leise die jüdische Totenklage an und sang die Gebete für den Mann, den er im Herzen als seinen Rabbi anerkannt hatte, während die Frauen Jesu Leichnam vorbereiteten: Sie balsamierten ihn mit Aloe und Myrrhe ein und wickelten ihn in Leichentücher. Josef ließ von seinen Dienern einen großen, zurechtgehauenen Steinblock vor die Öffnung der Gruft rollen, wie es Sitte bei dieser Art Begräbnis ist. Der Ruhetag stand nun direkt bevor. Josef sagte den Frauen noch, dass sie nach dem Schabbat wiederkommen und Jesu Leichnam wieder balsamieren dürften, wie es üblich ist. Dann wandten er und Nikodemus sich ab und gingen mit ihren Dienern fort.
So begann der stillste Ruhetag, den die Jünger je erleben. Mit der Zeit finden sie sich alle in dem Raum ein, in dem sie unter der Woche schon immer wieder zusammengekommen sind. Dort sitzen sie nun, denn es ist Schabbat, und sie wollen keine Aufmerksamkeit erregen, indem sie an diesem Ruhetag draußen herumlaufen. Stattdessen schließen sie die Tür ab – wenn der Hoherat Jesus gefangen genommen hat und ihn ermorden ließ, wer kann dann sagen, dass sie nicht auch die Jünger noch holen? Und so verstecken sie sich, denken zurück an die letzten drei Jahre und versuchen zu verstehen, wie das passieren konnte. Sie haben nicht nur einen Freund verloren, der ihnen näher war, als sonst irgendjemand zuvor in ihrem Leben, sondern auch den Mann, auf den sie all ihre Hoffnung für Israel und sich selbst gesetzt haben. Mit seinem Tod ist alles verloren. Sie stehen vor dem Trümmerhaufen. Was nun?
Während die Freunde Jesu sich trauernd in ihrem Versteck zusammenkauern, trifft sich im stillen Jerusalem noch eine andere Gruppe von Männern. Trotz des großen Ruhetags kommt der Hoherat zusammen. Obwohl der Mann, den sie unbedingt aus dem Weg haben wollten, tot ist, finden sie selbst keine Ruhe. Sie denken immer noch über die Predigten und Prophezeiungen Jesu nach, aber eine beunruhigt sie ganz besonders: Ihnen ist über Umwege zu Ohren gekommen, dass Jesus seinen Tod vorausgesagt hatte! Doch das ist es nicht, was sie beunruhigt, denn Jesus muss gewusst haben, dass er sich die einflussreichsten Männer Jerusalems zu Feinden gemacht hatte. Was die führenden Männer nicht zur Ruhe kommen lässt, ist das, was Jesus zu seinem Tod noch ankündigte: Dass er nach drei Tagen auferstehen würde. Eine Auferstehung! So etwas ist nicht möglich, das wissen die gebildeten Männer. Auferweckungen ja, das hatte der große Prophet Elischa schon vollbracht, auch wenn das ein mühseliges Wunder gewesen war.52Kön 4,8-37 Jesus fiel etwas aus dem Rahmen, als er seinen engen Freund Lazarus auferweckte, nachdem der schon vier Tage lang tot gewesen war und sein Körper bereits zu verwesen begann.6Joh 11 Viele Menschen, darunter einige Pharisäer aus Jerusalem, waren dabei, als Jesus den Stein vom Grab rollen ließ, nach einem Gebet zu Gott den Namen seines Freundes rief und der Verstorbene kurz danach vollkommen unversehrt aus dem Grab hervorkam. Das war ein Wunder, ohne Zweifel! Davor hatte Jesus etwas gesagt, was die Menschen nur noch mehr an seinen Lippen hängen ließ: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Er wird ewig leben, weil er an mich geglaubt hat, und niemals sterben.“7Joh 11,25-26, NLB Und danach stellte er eine Frage, die eigentlich an die Schwester des Verstorbenen gerichtet war, die nach dem Wunder aber in den Köpfen vieler Menschen rumorte: „Glaubst du das?“
Glaubst du das? Der Hoherat glaubt nicht, dass Jesus sich selbst auferwecken kann. Dass er jemanden aus dem Totenreich zurückruft, ist das eine, aber sich selbst zu neuem Leben erwecken? Das ist nicht möglich, das könnte nur Gott – und der hat mit Jesu Tod doch gezeigt, dass der nicht in seinem Auftrag gekommen war… oder? Doch was das Volk denkt, ist eine ganz andere Sache. Was wäre, wenn jemand Jesu Prophetie wahrmachen wollte? Es gibt viele, die diesen Mann aus Nazareth für etwas ganz Besonderes hielten; eine Gruppe von einigen Männern könnte mit etwas Kraftanstengung den Stein, der das Grab verschließt, wegrollen und den Leichnam fortnehmen, damit die Leute denken, dass er wirklich auferstanden sei. Dabei hat der Hoherat eigentlich gehofft, dass sich der Tumult um Jesus endlich legen würde. Ein solches Gerücht würde alles zunichte machen. Was nun?
Sie beschließen, einem solchen Chaos vorzugreifen. Einmal mehr lassen sie sich vor Pilatus führen, doch scheint er sie mehr unfreiwillig zu empfangen. Als römischer Stadthalter will er Verwerfungen mit den jüdischen Obrigkeiten vermeiden, aber es lastet auf ihm, dass er als juristische Autorität einen Unschuldigen auf ihren Willen hat umbringen lassen.8Bspw. Lk 23,14.20 Außerdem ist da noch die Sache mit seiner Frau – Procula wurde von Albträumen über diesen Jesus geplagt und hat Pilatus vor der Verurteilung gewarnt: „Lass diesen unschuldigen Mann in Ruhe!“9Mt 27,19, NLB Er hat dem Druck des aufgehetzten Volkes nachgegeben und Jesus kreuzigen lassen – aber Ruhe findet er dennoch nicht. Nun steht dieser Hoherat schon wieder vor ihm und bittet ihn, römische Wachen vor das Grab dieses Unschuldigen zu stellen. Sie warnen ihn vor einer möglichen Intrige der Nachfolger dieses Rabbi und vor einem folgenden Aufstand zu diesen Feiertagen. Zwar will Pilatus nicht länger Handlanger des Hohenrats sein, aber als Stadthalter will er auch keinen Tumult riskieren. Also stellt er ihnen entnervt eine römische Wache zur Verfügung.
Der Hoherat schickt die römische Wache mit eigenen Mitarbeitern zum Grab. Sie inspizieren alles auf seine Richtigkeit hin – alles ist verschlossen. Sie versiegeln den großen Stein, der vor der Öffnung des Grabes liegt, und postieren die römischen Wachen davor. Nun sollte dem ganzen Aufstand ein Riegel vorgeschoben sein. Langsam kehrt Ruhe am Schabbat ein. Und dennoch liegt diese undefinierbare Spannung in der Luft.
Auch für die Jünger neigt sich der Ruhetag seinem Ende zu. Es hat sich nichts geändert. Sie sind nicht aufgewacht, es ist kein Albtraum – Jesus ist tot. Die Frauen stellen sich dieser Realität und bereiten die Kräuter und Öle für den nächsten Tag vor: Wie Josef ihnen erlaubt hat, wollen sie am nächsten Morgen endlich wieder zum Grab gehen und den Leichnam ihres Rabbis, ihres Freundes wieder einbalsamieren. Das Miteinander stärkt die Jünger zwar – sie sind nicht allein in ihrer Trauer und Verzweiflung. Dennoch gewinnt die bohrende Frage an Dringlichkeit, als die Kraft des Tages nachlässt und die Nacht hereinbricht: Was nun? Wie soll es weitergehen? Sie können nicht ewig in diesem Zimmer bleiben.
Als sie sich über Jesus und das, was sie mit ihm erlebt haben, austauschen, kommen immer wieder die großen Schriftstellen auf, die Jesus zitiert oder ihnen ins Gedächtnis gerufen hat. Sie denken an die Schrift, die er als erstes zitiert hatte, damals vor drei Jahren, als er sein Wirken begonnen hat: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt, um den Armen eine gute Botschaft zu verkünden. Er hat mich gesandt, um die zu heilen, die ein gebrochenes Herz haben, und zu verkündigen, dass die Gefangenen freigelassen und die Gefesselten befreit werden.“10Jes 61,1, NLB, z.B. in Lk 4,14ff. All das ist irgendwie wahr geworden – seine Predigten, seine Heilungen, die Dämonenaustreibungen, seine Berührungen, seine Nähe… Soll das alles nun vorbei sein? Soll es umsonst gewesen sein? Sie denken an den Neuen Bund, den Jesus vor zwei Tagen aufgebracht und damit die tiefe Sehnsucht des jüdischen Volkes angesprochen hat – soll diese Hoffnung doch nur eine kurze gewesen sein? Sie denken an die Worte Jesajas, die einen leidenden Knecht Gottes beschreiben, der sich wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lässt, um getötet zu werden. Wenn Jesus das erfüllt hätte – welchen Sinn sollte das haben? Wie kann ein toter Knecht Gottes das Volk befreien, geschweige denn den Neuen Bund aufrichten? Ihre Gedanken schweifen weiter zu dem Freund Jesu, der tot war und den Jesus auferweckt hat. Sie sind alle dabei gewesen. Mittlerweile müssen Lazarus und seine Schwestern die Nachricht von dem Tod Jesu im nahe gelegenen Bethanien gehört haben. Was für eine Bedeutung kann dieses Wunder jetzt noch haben, das sie mit dem lebenden Lazarus vor sich haben? Jesus mochte zwar andere auferwecken können – aber er konnte auch sterben. In ihren Köpfen sehen sie noch die Tränen auf Jesu Gesicht und hören die Stimme ihres Rabbis, wie er laut rief: „Lazarus, komm heraus!“ Wie kann es sein, dass sie diese wunderwirkende Stimme nie wieder hören werden? Bevor Jesus seinen Freund aus dem Totenreich gerufen hat, hatte er mit seiner Schwester Marta gesprochen. Sie war wütend auf ihn gewesen, voll von Trauer um ihren Bruder. Die Jünger standen um die beiden herum, als Jesus diese merkwürdigen Worte sprach: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Er wird ewig leben, weil er an mich geglaubt hat, und niemals sterben.“
Die Auferstehung und das Leben. Ist das nicht nur Gott selbst? Aber…hatte Jesus nicht mit der Auferweckung von Lazarus gezeigt, dass er diese Kraft besaß? Wie kann das sein, wenn er sich wenig später töten lässt? Aber, da ist noch diese Frage, die Jesus Marta stellte: „Glaubst du das?“ sie hat geantwortet: »Ja, Herr. Ich bin zu dem Glauben gekommen, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.«11Joh 11,27, NLB Sie hatten es doch auch geglaubt. Aber… nun?
Als die Nacht hereinbricht und damit der erste Tag der Woche beginnt, formt sich in den Köpfen der trauernden Jünger diese Frage, die sie schier zur Verzweiflung bringt, aber sie werden sie nicht los. Sie sehen vor sich ihren Rabbi, seine tiefen Augen, die sie intensiv anschauen, hören seine durchdringende Stimme. Ihre Herzen werden durchbohrt von dieser einen, alles bestimmenden Frage: „Glaubst du das?“
Ich denke, wir alle werden immer wieder vor diese Frage aller Fragen gestellt: „Was nun?“… Der Karsamstag ruft uns in all seiner Leere, Verzweiflung und Trauer, die die Jünger zusammen mit so vielen Menschen empfanden, ins Gedächtnis, dass Glaube in einer gefallenen Welt nie leicht ist. Immer wieder wird Gottes Wirken, Treue und Liebe in Frage gestellt, immer wieder werden wir gefragt, wie wir an einem solchen Gott festhalten können. Zweifel ist keine Sünde. Und doch konfrontiert Gott selbst uns in unseren größten Zweifeln mit dieser so bedeutenden, alles bestimmenden Frage – ebenso wie er Marta, die zu jenem Zeitpunkt Eltern, Mann und Bruder verloren hatte, damit konfrontierte, als der Mann, der ihren Bruder hätte retten können, vier Tage zu spät kam. In ihre tiefste Trauer hinein sprach Jesus die Worte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Er wird ewig leben, weil er an mich geglaubt hat, und niemals sterben. Glaubst du das?“
Der Karsamstag ist der Tag, der uns diese Frage stellt: Inmitten all der Finsternis und Angst, inmitten der Krankheit und des Schmerzes, inmitten der Fragen und Zweifel, inmitten der Stürme des Lebens: Glaubst du das?
Wenn Du Dich heute dieser Frage neu stellst und sie für Dich beantwortest, mögest Du die Nähe Gottes stärker spüren, möge das Geschehen jenes Passah-Festes Dir klarer vor Augen stehen, die Gewissheit der Liebe Gottes Dir tiefer ins Herz gehen und die Aussicht auf die baldige Wiederkunft dieses Christus Dir dringlicher erscheinen als je zuvor. Denn Karsamstag ist nicht das Ende – er läutet den Anfang ein!
Ich segne Dich im Namen unseres allmächtigen Gottes!
Wenn Du den Text anhören möchtest, dann findest Du hier eine Audioversion mit Bildern auf YouTube :-)
- 1Zum Beispiel in Lk 22,54-62
- 2Joh 19,25-27
- 3Zum Beispiel Joh 19,38ff.
- 4Joh 3,1-21
- 52Kön 4,8-37
- 6Joh 11
- 7Joh 11,25-26, NLB
- 8Bspw. Lk 23,14.20
- 9Mt 27,19, NLB
- 10Jes 61,1, NLB, z.B. in Lk 4,14ff.
- 11Joh 11,27, NLB